Heinrich-Böll-Stiftung – 10 Jahre im Südlichen Kaukasus

Das Regionalbüro der Heinrich-Böll-Stiftung im Südlichen Kaukasus, das sich in Tbilissi befindet, ist 10 Jahre alt geworden. Anlässlich des Jubiläums  fand am 5. und 6. Juni eine Konferenz mit dem Titel „Südlicher Kaukasus am Kreuzweg“ statt, an der Vertreter aus Armenien, Aserbaidschan und Georgien teilnahmen.

Am 5. Juni hatte die Konferenz David Usupashvili, der Parlamentspräsident Georgiens, eröffnet, er hatte über den Beitrag der Heinrich-Böll-Stiftung und anderer westlichen Organisationen zur Entwicklung des Landes gesprochen.

„In Georgien sind viele Organisationen tätig, viele leisten eine sehr wichtige Arbeit und wir – Georgier, die ganze georgische Gesellschaft, sowie alle Südkaukasischen Länder  - sind dankbar für den Beitrag, den diese Organisationen zur Entwicklung der Demokratie und zur Etablierung der europäischen Werte in diesen Ländern geleistet haben, dasselbe gilt für die Versuche der gemeinsamen Bekämpfung des sowjetischen Erbes. Selbstverständlich hat jede dieser Organisationen ihre eigene besondere Nische, aber es ist besonders erfreulich, dass die Heinrich-Böll-Stiftung dabei einen ganz würdigen Platz eingenommen hat“, erklärte Usupashvili. „Ich kann mich gut an die Diskussionen hinter geschlossenen Türen ab 2004 und an die Umstände erinnern, als in Georgien eine äußerst gespannte Situation herrschte und der politische Siedepunkt sehr hoch lag. In TV-Shows von „Rustavi 2“ und von anderen Fernsehsendern fanden zwischen den innenpolitischen Gegnern brutale verbale Auseinandersetzungen statt. Dabei war es durch Ihre Initiativen möglich, eine ruhige und sachliche Debatte unter ganz anderen Diskussionsvoraussetzungen zu führen. Dadurch wurde, einerseits, eine Bewusstmachung und Lösung konkreter Fragen und, andererseits, die Etablierung einer generellen politischen Kultur im Land wesentlich gefördert,“ hatte der georgische Parlamentspräsident weiter betont. Er hat die Hoffnung ausgedrückt, dass auch die folgenden 10 Jahre der Tätigkeit der Heinrich-Böll-Stiftung in der Region genauso produktiv sein werden, wie es seit dem Gründungstag bis heute der Fall war.

„Netgazeti“ hat die Leiterin des Regionalbüros der Heinrich-Böll-Stiftung im Südlichen Kaukasus, Frau Nino Lejava gebeten, die vergangenen 10 Jahre und Bedeutung der Tätigkeit der Heinrich-Böll-Stiftung zu beurteilen. Frau Lejava erklärte:

„Es ist nicht einfach, alle während dieser 10 Jahren initiierten Projekte aufzuzählen. Doch gibt es drei vorrangige Programmschwerpunkte, die sich während der Jahre im gewissen Sinne gewandelt haben, wobei aber der primäre Kontext konstant geblieben ist. Diese Richtungen sind: (1) Förderung der demokratischen politischen Kultur, (2) Friedliche Konflikttransformation und (3) der Dialog zwischen Europa und dem Kaukasus. Das Programm zum Dialog zwischen Europa und dem Kaukasus ist ein Hilfsprogramm der ersten zwei Programme. Förderung der demokratischen politischen Kultur meint für uns, als  eine Grüne Politische Stiftung, dass der georgischen bzw. armenischen und aserbaidschanischen Gesellschaften Ressourcen für die Nutzung der demokratischen Möglichkeiten angeboten werden müssen: beispielsweise durch entsprechende Fortbildungskurse für Politiker und Politikerinnen mit dem Schwerpunkt Umwelt und Nachhaltige Entwicklung oder durch öffentliche Debatten, wie sie schon seit  9 Jahren in Tbilissi und inzwischen auch in Batumi und Kutaissi stattfinden. Wir zeigen, wie eine Diskussion demokratisch geführt werden muss.  Auch die Informationsfreiheit ist ein wesentlicher Faktor von Demokratie“.

Nino Lejava betonte, dass für die nächste Zukunft keine radikale Änderung der Pläne und Strategien des Regionalbüros vorgesehen ist. Die Stiftung wird stabil und konsequent  mit den Themen weiterarbeiten, mit denen sie sich auch bis heute befasst hat, sei es die  Auseinandersetzung mit der sowjetischen Vergangenheit oder öffentliche Diskussionen über diverse  Themen bis zur Stipendienvergabe an  junge Sozialwissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Darüber hinaus wird die Stiftung ihre Arbeit zu den Themen  Feminismus und Geschlechtergleichheit vertiefen.

Medienforscherin Nino Danelia nahm an mehreren von der Heinrich-Böll-Stiftung organisierten Diskussionen teil. Sie hat im Interview mit „Netgazeti“ über die Tätigkeit der Heinrich-Böll-Stiftung und deren Bedeutung gesprochen:

„Ich glaube, dass alle, die irgendeinen Berührungspunkt mit der Heinrich-Böll-Stiftung gehabt haben – als Stipendiaten, Diskussionsteilnehmer, Referenten oder Zuhörer - , sich darüber einig sind, dass die Bedeutung der Regionalbüros Südkaukasus im Entwicklungsprozess Georgiens in letzten 10 Jahren sehr groß war: Ihr ist es gelungen freie Diskussionsräume zu schaffen, wo jeder, unabhängig von seiner Ideologie, politischer Anschauung oder Stimmung,  seine Meinung offen äußern konnte. Die Heinrich-Böll-Stiftung war eine der wenigen internationalen Stiftungen, die sehr nah zur Entwicklung der georgischen Gesellschaft war.  Themen, die in dort  diskutiert  worden sind und Prioritäten für Stipendiaten waren, waren sehr wichtig für die Entwicklung der georgischen Zivilgesellschaft. Unter Bedingungen, als die Massenmedien im großen Maße monopolisiert waren und es oft tabuierte Themen gab, war die Heinrich-Böll-Stiftung eine Ausnahme, die stetig versuchte, die für unsere Gesellschaft komplexen Fragen  zu beantworten. Eine andere Frage ist,  ob es dem Regionalbüro gelang, mit ihrer Stimme die breite Öffentlichkeit zu erreichen. Wegen des geringen Interesses der georgischen Massenmedien blieben Besprechungen in der Stiftung fast nur  auf die Anwesenden beschränkt. Aber das Regionalbüro Südkaukasus war  auch ein Vorreiter und der erste, das einen Livestream der Diskussionen angeboten hat, so dass alle Interessenten die Diskussionen im Internet verfolgen konnten.

Nino Danelia glaubt, dass es für die Zukunft wichtig sein wird, dass die  ihre Publikationen fortsetzt und eine konkrete Mediakampagne plant, damit auch die Massenmedien Themen und Fragen ausstrahlen, an denen die Heinrich-Böll-Stiftung arbeitet. Gleichzeitig muss die Arbeit in den Regionen intensiviert werden, damit die Stiftung mehr Menschen und insbesondere mehr junge Menschen erreichen kann.